Ganz nah und gemütlich
Heizung aufdrehen und kuschelige Wärme genießen – was für die Chemnitzer heute Normalität ist, war lange Zeit nur eine schöne Vorstellung. Die Wende kam im Jahr 1930, der Geburtsstunde einer Städteheizung in Chemnitz. Am 15. März schrieben damals die „Die Chemnitzer Neuste Nachrichten“: „Die Fernheizung der Stadt Chemnitz […] hat nunmehr seit dem 1. März d. J. ihren Betrieb aufgenommen, und zwar vorläufig nur für das neue Hotel Chemnitzer Hof, das in seinem jetzigen Bauzustand zur Austrocknung und Beheizung der Wärme dringend bedarf“. Bis die Hotelgäste sich über diese Innovation freuen konnten, war es ein längerer Weg. Im Jahr 1928 fasste die Stadt den Beschluss, das neu zu errichtende Stadtbad mit Wärme zu versorgen. Dafür sollte aus dem Elektrizitätswerk Müllerstraße, das 1893/94 vorrangig als Lichtwerk errichtet wurde, eine Wärmeversorgung geschaffen werden. Weitere Gebäude in der Innenstadt sollten ebenfalls davon profitieren. Der Bau des Stadtbades dauerte jedoch bis 1935. Somit kam das ebenfalls neu entstandene Hotel Chemnitzer Hof in den Genuss, erster Kunde der neuen Fernwärme zu werden. Das Stadtbad wurde später ebenfalls an das Netz angeschlossen. Weitere Gebäude wie die Post, das Opernhaus sowie die Färberei Haase als erster Industriekunde folgten. Schon damals setzten die Betreiber des Fernwärmenetzes auf Heißwasser statt auf Dampf als Wärmeträger, denn Heißwasser lässt sich sicherer und effizienter transportieren. Ein Anschluss bedeutete für die Gebäude eine sichere und platzsparende Versorgung mit Wärme, die ohne zusätzlichen Aufwand für das Heizen und die Warmwasserbereitung zur Verfügung stand. Bereits 1928 sah die Stadt einen wesentlichen Vorteil der zentralen Fernwärme darin, die Luftqualität in Chemnitz zu verbessern. Mit dem Wegfall der vielen einzelnen Schornsteine, die das Stadtbild prägten, sollte gleichzeitig das negative Bild vom „Rußchemnitz“ abgestreift werden.
Bis 1963 produzierte das Elektrizitätswerk Wärme für das Fernwärmenetz. Danach übernahm das Heizkraftwerk (HKW) Nord I die Versorgung. Das Fernwärmenetz wurde im Laufe der Jahre immer weiter ausgebaut. Waren 1985 rund 55.000 Wohneinheiten an das Fernwärmesystem angeschlossen, sollten bis 1990 jährlich 3.000 hinzukommen. Das HKW Nord I musste dringend erweitert werden. Das HKW Nord II entstand zwischen 1981 und 1990. In drei Blöcken konnte es jeweils 160 Megawatt zur Wärmeabgabe und jeweils 60 Megawatt elektrische Leistung produzieren. Im Zuge des Kraftwerksbaues wurde auch ein Chemnitzer Wahrzeichen errichtet: Der 301,80 Meter hohe Schornstein, der heute in bunten Farben weit über die Stadt hinaus leuchtet.
Über die Jahre unterlag das Fernwärmenetz einer stetigen Veränderung. Gründe dafür waren unter anderem der demografische Wandel und damit verbundene Maßnahmen des Stadtumbaus in Chemnitz. Durch Optimierungen wurde das Netz effizienter, Energieverluste beim Transport der Wärme immer weiter reduziert. Damit ist es beispielsweise möglich, die notwendigen Vorlauftemperaturen im Netz zu verringern. 2016 wurde ein erster Schritt getan, die Fernwärme mit regenerativen Energiequellen zu verknüpfen. Für das Chemnitzer Stadtviertel Brühl errichtete eins eine Solarthermieanlage, die die Kraft der Sonne nutzt, um Fernwärme für das Quartier zu erzeugen. Reicht die Sonneneinstrahlung nicht aus, zum Beispiel, wenn es bewölkt ist, nutzt die Anlage Energie aus dem Rücklauf des zentralen Fernheiznetzes, um das Heiz-wasser zu erwärmen. Aktuell befinden sich Erzeugungsanlagen erneut in einer Phase des Umbaus. eins gestaltet die Wärmeproduktion zukünftig deutlich umweltschonender. Motorenheizkraftwerke (MHKW) und ein Holzheizkraftwerk werden Strom und Wärme erzeugen. Die mit Methan betriebenen MHKW können Erdgas, Biogas oder synthetisches Gas verbrennen. Insgesamt reduzieren die neuen Anlagen den CO2-Ausstoß um rund 60 Prozent gegenüber der bisherigen, vorwiegend braunkohlebasierten Technik. Mit einer Gesamtlänge von ca. 300 Kilometern betreibt eins das drittgrößte Fernwärmenetz in Sachsen. Und auch der erste Kunde ist dem Netz treu geblieben: Noch heute ist der Chemnitzer Hof Fernwärmekunde und bezieht darüber hinaus auch Wasser, Strom und Fernkälte von eins.